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Schweiz: Werbung für alte und neue Atomkraftwerke durch Burson-Marsteller und das Nuklearforum


  • RePlanet: Wie Schein-Ökos Konzerninteressen grünwaschen
    Burson-Marsteller und das Nuklearforum Schweiz Atomlügen und die Manipulation der öffentlichen Meinung

    Die Meistermanipulatoren
    Von Susan Boos

    In der Schweiz gibt es rund 100 000 Vereine. Einer davon nennt sich Nuklearforum Schweiz. Er hat etwa 600 Mitglieder, einen Vorstand, eine Homepage und eine Geschäftsstelle. Ruft man bei der Geschäftsstelle an, nimmt eine Frau das Telefon ab und sagt: Burson-Marsteller. Und damit wird die kleine Vereinswelt plötzlich ganz gross: Burson-Marsteller ist eines der grössten und durchtriebensten PR-Unternehmen der Welt. Der US-Amerikaner Harald Burson hat es in den 1940er-Jahren gegründet. Er beriet den chilenischen Diktator Augusto Pinochet und besserte in den siebziger Jahren das Image der argentinischen Militärjunta auf. Heute versucht Burson-Marsteller, der US-Regierung im Irak zu einem besseren Ruf zu verhelfen, indem die PR-Firma irakische JournalistInnen dafür bezahlt, dass sie positiv über die US-Präsenz schreiben

    Im vergangenen Frühjahr
    übernahm das Berner Büro von Burson-Marsteller die Geschäftsstelle des Nuklearforums. Das Forum ist kein gewöhnlicher Verein, sondern die Lobbyorganisation der Atomwirtschaft. Sie war 1958 gegründet worden - Jahre bevor hierzulande das erste Atomkraftwerk gebaut war - und hiess bis vor zwei Jahren Schweizerische Vereinigung für Atomenergie (SVA). Laut Statuten fördert die Organisation die friedliche Nutzung und die weitere Entwicklung der Kernenergie in der Schweiz>. Grundsätzlich kann jedermann für einen Mitgliederbeitrag von 85 Franken dem Nuklearforum beitreten. Es sind aber vor allem Mitarbeiter der verschiedenen AKW, Wissenschaftler der Nuklearabteilung des Paul-Scherrer-Instituts sowie Spezialisten der AKW-Kontrollbehörde HSK dabei. Der Verein hat etwa 200 Kollektivmitglieder: Energieunternehmen, städtische Werke oder Banken. Ihr Mitgliederbeitrag richtet sich nach dem Umsatz des Unternehmens. Und, schau an, wer gehört dem Atompropagandaverein auch noch an? Das Bundesamt für Energie (BFE). Dort rechtfertigt man dies damit, dass das BFE auch in Vereinen, die Alternativenergien fördern, Mitglied sei.

    Bis zur Übernahme durch Burson-Marsteller
    im Frühjahr 2006 war die Geschäftsstelle des Nuklearforums bei der Treuhandfirma Atag Ernst & Young domiziliert. Da er mit deren Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr zufrieden war, suchte sich der Verein eine neue Heimat. Im Bulletin des Nuklearforums begründet der Vereinspräsident Bruno Pellaud, weshalb das Forum wechselte: Man sei der Meinung, dass die fünfzehn Jahre Öffentlichkeitsarbeit von Burson-Marsteller für die Biotechnologie in der Schweiz eine nützliche Basis für die anstehende Öffentlichkeitsarbeit für die Kerntechnik darstellt>. Den Leuten vom Nuklearforum hat gefallen, dass und wie Burson-Marsteller hierzulande für die einflussreichen Lobbyorganisationen Interpharma, Gen Suisse, Economiesuisse, aber auch für den Schweizerischen Nationalfonds, das Energieunternehmen Axpo und das Eidgenössische Starkstrom-Inspektorat tätig ist.

    Der neue Geschäftsführer des Forums kommt denn auch nicht aus der AKW-, sondern aus der Gentechbranche: Roland Bilang, ein Agronom, der als Gentechnologe promovierte und seit 2002 im Bereich LifeScience für Burson-Marsteller tätig ist.
    Die Kunst der Manipulation

    Die Gentechkampagne von Burson-Marsteller
    lässt erahnen, wie die künftige Atompropaganda aussehen dürfte. Ende der neunziger Jahre wurde Greenpeace ein internes Burson-Papier zugespielt. Darin ging es um ein Kommunikationsprogramm für EuropaBio, eine Lobbyorganisation von Novartis, Nestlé, Hoffmann-La Roche, Monsanto et cetera. Die Burson-Crew legte mit einfachen Stichworten dar, wie man die Wahrnehmung der gentechkritischen Bevölkerung beeinflussen kann. Ein Grundsatz lautet: Stay off killing fields - meidet tödliche Minenfelder. Dazu gehört zum Beispiel die gesamte Diskussion über gesundheitliche und ökologische Risiken der Gentechnologie. Ein weiterer Tipp: Erzählt Geschichten, statt Sachdebatten zu führen. Sachargumente hätten keinen Newswert, würden von den Medien deshalb kaum aufgenommen, doch gute Geschichten gingen in Minuten um die Welt. Oder: Redet von Produkten statt von Technologien, ... von Nutzniessern statt von Nutzen, ... von Wohltaten statt Profiten, verwendet Symbole statt Logik. Der zentrale Ratschlag lautet: Die Bioindustrie muss aufhören, ihren eigenen Anwalt zu spielen.

    Burson-Marsteller hat diesbezüglich Pionierarbeit geleistet:
    Im Interesse von Firmen baut sie Basisbewegungen auf - organisierte besorgte oder betroffene BürgerInnen, die dann für das angeschlagene Unternehmen auf Goodwilltour gehen.
    Wie das geht, demonstrierte Burson-Marsteller am Fall Dow Corning, einer Tochterfirma von Dow Chemical: Der Konzern hatte Silikonbrustimplantate fabriziert und war von Frauen, die an gesundheitlichen Schäden litten, angeklagt worden. Burson mobilisierte Frauen, die öffentlich die Silikonbrüste lobten und proklamierten, Frauen sollten die freie Wahl haben, sich den Stoff implantieren zu lassen.

    In den USA betreibt Burson-Marsteller unter dem Namen Direct Impact eine Grassroot-Firma - so nennen sie es selber -, die auf Bestellung Bürgerinitiativen organisiert.

    Die Charmeoffensive, die die Schweizer AtomlobbyistInnen

    mit Burson-Marsteller anstreben, steht nicht isoliert da. Die Kommunikationsexpertin Joslyn L. Higginson schaute sich im Auftrag von Greenpeace die globale PR-Kampagne der Nuklearindustrie an. Higginson überprüfte die Berichterstattung in den verschiedenen Ländern und stellte fest, dass die positiven Berichte über die Renaissance der Kernenergie in den vergangenen sechs Jahren massiv zugenommen haben. Insbesondere in den USA scheint die optimistische Berichterstattung förmlich zu überborden, Europa zieht sukzessive nach. Higginson stellte fest, dass weltweit dieselbe Argumentationslinie gefahren wird: Nuklearenergie ist sauber, grün, nachhaltig, sicher - reduziert die Abhängigkeit von ausländischen Energieressourcen und rettet das Klima. Genau diese Botschaft verbreitet auch das Nuklearforum mithilfe von Burson-Marsteller (siehe WOZ Nr. 43/06).

    Mal für, mal gegen Klimaschutz
    Ums Klima kümmert sich Burson-Marsteller schon seit Jahren - auf ihre eigene Art. Vor gut zehn Jahren schuf das PR-Unternehmen im Auftrag von verschiedenen US-Ölfirmen wie Exxon, Texaco, Chevron und Autoherstellern (wie Ford und General Motors) die Global Climate Coalition und lancierte deren Klimakampagne. Die GCC agierte als unabhängige Organisation im Stil einer nichtstaatlichen Organisation und hatte ein Ziel: die Gefahren der Klimaerwärmung herunterzuspielen. Die Kampagne schaffte es, eine erste Umweltsteuer, die der US-Präsident Bill Clinton damals einführen wollte, zu bodigen. Man trichterte der Bevölkerung ein: 1. Die Klimaerwärmung ist wissenschaftlich nicht belegt, 2. Massnahmen für den Klimaschutz schaden der Wirtschaft und erhöhen die Arbeitslosigkeit, 3. Die USA soll erst dann etwas für den Klimaschutz tun, wenn auch die Entwicklungsländer Massnahmen ergreifen. Ums Jahr 2000 besannen sich die grossen Autohersteller und verliessen die Global Climate Coalition - worauf diese aus der Öffentlichkeit verschwand.

    Seit dem Niedergang der GCC intensiviert Burson-Marsteller das AKW-Lobbying und argumentiert für den Klimaschutz - weil er nun dazu dient, den Atomkraftwerken ein freundliches Image zu verpassen. Das nennt sich Greenwashing, und darin haben die Burson-Leute Erfahrung: Sie berieten zum Beispiel Union Carbide (nach dem Giftskandal im indischen Bhopal), Exxon (nach der Tankerkatastrophe in Alaska) oder Babcock & Wilcox (nachdem ihr Atomreaktor in Three Miles Island fast durchgeschmolzen wäre).

    Der 85-jährige Firmengründer Harald Burson, der immer noch täglich in sein Büro geht, findet das nicht anstössig: Entscheidend ist doch, wie ein Journalist mit einer Meldung von uns verfährt. "Wir liefern ja bloss die eine Seite der Wahrheit und auch nicht zwingend alles, was wir wissen. Ihren Job müssen die Journalisten dann schon selber machen", sagte er kürzlich der NZZ am Sonntag. In einem gekonnten Akt der Selbstverteidigung fügte er noch an, er finde es schon bedenklich, dass die Medien in zunehmendem Masse unkritisch PR-Texte übernähmen: Die seriöse Arbeit des Journalisten ist für unsere demokratische Gesellschaft essenziell und für die PR-Industrie gar überlebenswichtig.


    WOZ Die Wochenzeitung 21.12.2006


    Nuklearforum und Wikipedia
    In der Onlineenzyklopädie Wikipedia findet sich unter dem Stichwort Nuklearforum Schweiz ein Eintrag. Er ist völlig identisch mit der Selbstdarstellung auf der forumseigenen Homepage. In die Enzyklopädie gestellt wurde der Beitrag vom Benutzer Gen Suisse. Auch zur Gen Suisse, einer Lobbyorganisation der Pharmaindustrie, gibt es in Wikipedia einen Eintrag. Der erste Beitrag dazu wurde ebenfalls vom Benutzer Gen Suisse geschrieben und ist ein distanzloser Werbetext. Später hat sich Benutzerin Irmgard die Mühe gemacht, den reinen PR-Text zu entschärfen, indem sie hinzufügte, dass Gen Suisse von Schweizer Pharmafirmen finanziert wird. Sowohl das Nuklearforum wie Gen Suisse werden von Burson-Marsteller betreut. Offenbar gelingt es der PR-Firma, die Onlineenzyklopädie Wikipedia dazu zu benutzen, ihre PR-Botschaft als neutrale Information unters Volk zu bringen. sb



    BUND - Nachtrag:
    Es gibt einige Indizien, die darauf hinweisen, dass gerade in der Schweiz viele Wikipedia Seiten zu den Thema AKW und Atomenergie, von der Atomindustrie massiv manipuliert werden. Dies entspricht auch dem üblichen Vorgehen von Burson-Marsteller.


    Hintergrundinfo: Akzeptanzforschung, Greenwash, PR und neue Durchsetzungsstrategien

    Information: Atomkraftwerke Schweiz


    Kernkraftwerk Beznau 1 und 2
    Gösgen
    Leibstadt
    Mühleberg

    Atommüll Info Schweiz


    Mehr Informationen über die Greenwash - Aktivitäten von Burson-Marsteller finden Sie mit Hilfe der Suchfunktion auf der BUND Homepage.



    Burson-Marsteller (seit 2019 Burson Cohn & Wolfe) - Eine Übersicht:

    Professionelle Klimawandelleugner sind verantwortlich für Tod und Leid von Millionen Menschen!
    Nein, ich meine nicht die kleinen, unbedarften, uninformierten, manipulierten Menschen, die den Klimawandel abstreiten, und ich meine auch nicht die Menschen, die immer noch offene Detailfragen wissenschaftlich in Zweifel ziehen. Ich meine wohl aber die Spitzen der großen Öl- und Kohlekonzerne, die seit Jahrzehnten mit gezielter PR, mit Macht und Geld, den ihnen bekannten menschengemachten Klimawandel und seine Folgen leugnen, verharmlosen und herunter spielen, und die bezahlten Mietmäuler dieser Konzerne in Wissenschaft, Politik und PR-Agenturen. Ihre Aktivitäten werden millionenfaches Leid und Tod verursachen. Es ist an der Zeit die Dinge beim Namen zu nennen.
    Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer








    Aktueller Einschub
    Atommüll Schweiz: Eine Kritik


    Die Schweiz will das Endlager für Atommüll an der Grenze zu Deutschland im Gebiet Nördlich Lägern, wenige Kilometer südlich der deutschen Gemeinde Hohentengen bauen. Die jetzige Standortauswahl, für den besten aller schlechten Standorte eines atomaren Endlagers in der Schweiz spricht für eine gewisse Verzweiflung der AKW-Betreiber und der NAGRA und verheißt nichts Gutes. Atommüll, der eine Million Jahre sicher verwahrt werden muss, braucht eine gute Geologie und nicht gute Worthülsen.

    Von 1969 bis 1982 hat die Schweiz 5321 Tonnen Atommüll im Nordatlantik versenkt, ein Umweltverbrechen das von Politik und Medien erst mit der "üblichen Verspätung" kritisiert wurde. Die Verantwortlichen wurden nie bestraft. Jetzt soll der Schweizer Atommüll in einer im internationalen Vergleich sehr dünnen Schicht Opalinuston vergraben werden. Wir sind nicht in der Lage "Atommüll zu denken". Müll, der eine Million Jahre strahlt und 33.000 Generationen gefährdet.

    Mehr aktuelle Infos: Atommüll Schweiz


    Thorium-Reaktoren: Neues US-Mini-AKW Projekt krachend gescheitert
    Weltweit und auch in der Schweiz werben Atom-Lobbyisten, Atomparteien und industriegelenkte Scheinbürgerinitiativen wie RePlanet für die "kostengünstigen", neuen, Thorium- und Klein-Reaktoren. Sie verschweigen die massiven Gefahren, die von diesen Klein-AKW ausgehen und sie verschweigen die Kosten.
    Doch das Vorzeigeprojekt der weltweiten Atom-Lobby ist im Herbst 2023 krachend gescheitert. Der SMR-Entwickler NuScale Power Corporation und der Energieversorger Utah Associated Municipal Power Systems (UAMPS) haben beschlossen, doch keinen Small Modular Reactor im US-Bundesstaat Idaho zu bauen. Wie von der Umweltbewegung vorhergesagt sind die neuen Mini-AKW viel zu teuer. Überall wo der Markt funktioniert, haben neue AKW keine Chance, auch wenn das die NZZ und die Schweizer Atomparteien nicht gerne hören.
    Mehr Infos: Neue kleine Thorium Reaktoren










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    Dieser Artikel wurde 12830 mal gelesen und am 1.10.2023 zuletzt geändert.